Tools und Prozesse für verteilte Teams
von Dr. Jan Oevermann
Apr. 09, 2020
Unser tägliches Wrap-Up in der Videokonferenz • Bild: plusmeta
Nicht erst seit der Corona-Krise sind verteilte Teams, bei denen die Mitarbeiter von verschiedenen Orten aus zusammenarbeiten, ein wichtiges Thema. Dabei stellen sich viele Unternehmen die Frage, wie sich Reibungsverluste in der zwischenmenschlichen Kommunikation vermeiden lassen und der Zusammenhalt in Teams bestehen bleibt, obwohl der tägliche Tratsch in der Kaffeeküche fehlt. In diesem Artikel wollen wir die Tools und Prozesse vorstellen, mit deren Hilfe wir es schaffen, in dieser Phase weiterhin effizient aber auch mit Spaß im Team zusammenzuarbeiten.
Outlook
Das Mail- und Kalendertool Outlook darf auch in unserem Arsenal nicht fehlen. Einige Konfigurationen helfen uns jedoch, Arbeitsabläufe produktiver zu gestalten.
Termine kategorisieren
Wer einen vollen Terminkalender hat, verliert schnell den Überblick. Farbige Kategorien schaffen Ordnung und helfen bei der schnellen Einschätzung: Habe ich diese Woche viele Außer-Haus-Termine? Sind die Videocalls am Mittwoch mit Kunden oder mit dem Team? Farben sind ein erstaunlich gutes Mittel, um diese Fragen zu beantworten. Ist der Kalender überwiegend orange ist Konzentration gefragt, schwarz hingegen signalisiert einen frühen Feierabend. Werden die Kategorien von jedem Teammitglied genutzt, können diese beim Anlegen einer Besprechung hinzugefügt und direkt mit verschickt werden. Hier offenbart sich eine Schwäche von Outlook: jeder muss die Kategorien bei sich selbst anlegen (mit exakt gleichem Namen).
Mails diskutieren
Durch die von Microsoft angebotete Integration von Outlook mit unserem Chatprogramm Slack können einzelne E-Mails mit einem Klick an eine Person oder einen Chatraum weitergeleitet werden, um sie dort weiter zu diskutieren. Das bietet sich vor allem dann an, wenn man lange Re:AW:RE:Antwort-Ketten mit zweizeiligen Texten aus dem Posteingang verbannen möchte. Die Mail und ihre Anhänge werden in einer Vorschau in Slack dargestellt. So kann dann z.B. gemeinsam eine Antwort formuliert oder ein weiteres Vorgehen besprochen werden.
Benachrichtigungen ausschalten
Für manchen mag es verrückt klingen, doch das Deaktivieren der omnipräsenten Benachrichtigungsfunktion für neue Mails kann einen echten Produktivitäts-Boost bringen. Anstatt mit jedem Desktop-Popup und jeder Handy-Vibration aus dem Kontext gerissen zu werden, entspannt das bewusste Abarbeiten des Posteingangs und hat einen positiven Nebeneffekt: Man nimmt sich Zeit fürs Lesen der Nachrichten und das Ausformulieren der Antworten. Dafür plant man sich am besten feste Zeiten am Tag ein, wie etwa am Anfang und Ende eines Arbeitstages oder nach der Mittagspause. Die geblockte Zeit garantiert, dass man keine Mail verpasst und rechtzeitig anwortet. Der Empfänger wird es einem danken, auch wenn dafür die Nachricht vielleicht etwas später kommt. Wer Sorge hat, dass Kunden dies negativ auffassen könnten, spricht das Thema offen an und wird überrascht sein, dass die meisten eine langsame konzentrierte Antwort der schnellen, unvollständigen Mail vorziehen.
Teams
Das Kollaborationstool Teams von Microsoft bietet neben Video- und Telefonkonferenzen auch erweiterte Funktionen für – wenig überraschend – Teams. Auch wenn der Nachfolger von Skype for Business teilweise noch mit Problemen zu kämpfen hat, so macht er doch vieles richtig und ist für uns in der Homeoffice-Zeit ein wichtiges Tool.
Wrap-Ups einführen
Eines der effektivsten und wichtigsten Werkzeuge für verteilte Teams ist ein tägliches Wrap-Up (machmal auch Stand-Up oder Daily Huddle) als Regeltermin mit verbundener Webkonferenz. Speziell wenn alle Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten, geben Rituale dem Tagesablauf Struktur und Verlässlichkeit. Kurz und bündig sollen in 15 Minuten täglich von allen Teammitgliedern der Reihe nach die gleichen 5 Fragen beantwortet werden:
- Was habe ich gestern gemacht?
- Was habe ich mir für heute vorgenommen?
- Woran messe ich, ob das Vorgenommene geklappt hat?
- Was hindert mich daran, meine Aufgaben zu erledigen?
- Wer kann mir helfen, ein Problem zu beheben?
Dabei sind vor allem die Fragen 2-4 von großer Bedeutung. Definierte Tagesziele schaffen Zufriedenheit und erleichtern die Planung. Beispiel: Ich habe mir heute vorgenommen, den Blog-Artikel fertigzustellen, den Erfolg messe ich an der Veröffentlichung und dafür fehlt mir noch ein Screenshot meines Kollegen. Kurze Fragen können so schnell beantwortert und kleine Aufgabenpakete delegiert werden; für Detailabstimmung können Folgetermine in kleinerer Runde vereinbart werden.
Neben unserem Daily Wrap-Up um 9:15 Uhr haben wir noch ein Weekly Wrap-Up eingeführt, welches am Freitagnachmittag die vergangene Woche Revue passieren lässt und Gelegenheit bietet kleine Erfolge zu feiern. Nach dem Resümee werden die groben Aufgaben für die kommende Woche skizziert und somit der Grundstein für das Daily Wrap-Up am Montag gelegt.
Video einschalten
Auch wenn sich der ein oder andere noch davor scheut bei Webmeetings die Kamera einzuschalten, so sollte es jeder einmal ausprobiert haben und den Unterschied zur reinen Audiokonferenz erfahren. Speziell in Zeiten, in denen das Büro unbesetzt bleibt, ist es wichtig auch die non-verbalen Signale von Kollegen, Kunden und Partnern zu achten. Schmunzelt mein Gegenüber oder ist das eher Skepsis? Verstärkt die Gestik das Gesagte oder sagt die Körpersprache das Gegenteil? Die Kamera bietet darüberhinaus auch weitere Vorteile: Gespräche verlaufen konzentrierter und persönlicher ab; dem Gesprächspartner wird die volle Aufmerksamkeit geschenkt. Das in Telefonkonferenzen übliche “nebenbei arbeiten” ist in einem Video-Meeting nicht möglich und so überrascht es wenig, dass bei eingeschalteter Kamera die Besprechungen oft kürzer und gleichzeitig produktiver sind.
Meetings anhängen
Durch die enge Integration von Teams in Outlook ist es mit einem Klick möglich einer Besprechungsanfrage einen Zugangslink zu einem Webmeeting anzuhängen. Durch den schon vorab definierten “Treffpunkt” entfallen die sonst nötigen “Wer ruft wen an?”-Abstimmungen kurz vorm Termin und von der reinen Audioübertragung bis hin zu kombinierten Kamera- und Bildschirmfreigaben können alle Funktionen sofort genutzt werden. Die Macht der Gewohnheit hat bei uns mittlerweile den Prozess etabliert, jedem geplanten Meeting auch einen Teams-Link anzuhängen.
GitHub
Die webbasierte Anwendung für Quelltextverwaltung ist unser Maschinenraum für Code und Content. Doch nicht nur die plusmeta-Plattform wird mit Hilfe von GitHub entwickelt, sondern auch Website, Blog und die Dokumentation setzen auf auf dem Versionsverwaltungssystem auf.
Alles versionieren
Auch wenn der Einstieg in git (die Open-Source-Software, auf der GitHub basiert) für Nicht-Programmierer oft umständlich erscheint, löst das Prinzip der Versionverwaltung viele bekannte Probleme von verteilten Teams:
- Das gleichzeitige und verteilte Arbeiten an den gleichen Inhalten oder Quellcodeteilen lässt Teamarbeit ohne kontinuierliche Abstimmungen zu
- Die konsequente Versionierung von Zwischenständen vermeidet Datenverluste und lässt alte Stände einfach wiederherstellen oder vergleichen
- Fragen zu bestimmten Textteilen können schnell geklärt werden, da nachvollzogen werden kann wann, von wem und warum eine Zeile geändert wurde
Nach kurzer Zeit möchten die meisten die Arbeit in einem Versionverwaltungssystem nicht mehr missen und die steile Lernkurve wurde längst mit einem Produktivitätsschub überwunden. Ein weitere Vorteil von git zeigt sich auch in der Vielzahl an Tools, die eine Benutzung erleichtern. Neben diversen Werkzeugen zur visualiserten Versionskontrolle, existieren Integrationen in die meisten Entwicklungsumgebungen und Editoren. So kann jeder, den für sich passenden Workflow finden und anpassen. Durch den Umstand, dass alle Inhalte textbasiert sein müssen, eignet sich git nur für bestimmte Dateiformate (z.B. Quellcode, XML- oder Markdown-Dateien etc.), dafür lassen sich unterschiedliche Stände jedoch mühelos vergleichen und zeilenbasiert kommentieren.
Tickets erstellen
Das in GitHub integrierte Ticketsystem lässt die schnelle Erstellung und Verwaltung von “Issues” zu. Was in der Softwareentwicklung verbreitet ist, kann jedoch auch auf andere Bereiche angewandt werden. Auf der Website muss ein Eintrag aktualisiert werden? Eine Idee für die Dokumentation soll festgehalten werden? Issues sind ein geeigneter Weg diese Aufgaben “zu Papier” zu bringen, um sie danach priorisieren und einplanen zu können. Durch fest zugeordnete Bearbeiter können verteilte Teams so auch jederzeit sehen, woran die Kollegen gerade arbeiten.
Checklisten verwenden
GitHub wurde vor allem durch den Workflow der sogenannten Pull Requests populär. Kurz gesagt ist das eine Art Review-Anfrage, mit dem Ziel, die vorgeschlagenen Änderungen zu diskutieren und letztendlich freizugeben. Auch wir nutzen Pull Request, z.B. für aktualisierte Versionen unserer Software, neue Artikel im Blog oder eine Änderung auf der Website. Um bei einer solchen Freigabe nichts zu vergessen, verwenden wir Checklisten als Vorlagen, die kritische Punkte abfragen: Wurde jeder Bereich getestet? Sind die Rechte an den Bildern geklärt? Diese Checklisten können mit der Zeit auch erweitert werden – natürlich über einen Pull Request.
Slack
Die Enterprise-Chatlösung Slack ist bei uns vor allem eins: die Schaltzentrale des Unternehmens. Durch etliche Integrationen laufen hier die Fäden zusammen und können gezielt aufgenommen werden.
Chaträume einrichten
Themenspezifische Channels, wie für Entwicklung oder Dokumentation, gruppieren Benutzer und Integrationen in eigene Chaträume. Dadurch können etwa Benachrichtigungen für einzelne Themen stummgeschaltet oder die Suche nach einer bestimmten Nachricht einfach eingeschränkt werden. Auch das gezielte Ansprechen aller Mitglieder eines Raums wird dadurch vereinfacht. Ergänzt werden kann diese Logik durch das Definieren von Benutzergruppen (z.B. @TaskforceGrillfest) um mehrere Teammitglieder gleichzeitig anzupingen.
Einer der Vorteile von Chats gegenüber Telefonaten oder Webmeetings ist deren Asynchronität. Das heißt, man kann direkt reagieren und eine Unterhaltung in Echtzeit führen – man muss aber nicht. Eine Unterhaltung, die Kollegen in einem Themen-Channel geführt haben, kann nachgelesen und wieder aufgenommen werden. Der Chatverlauf erweist sich auch in anderen Situation als wertvoll und kann als Gesprächsprotokoll so manche Gedächtnislücke wieder füllen.
Telefon ersetzen
In manchen Fällen ist das Medium Chat ungeeignet, um eine Unterhaltung effizient zu führen. Beispielsweise wenn sehr viel Informationen in kurzer Zeit ausgetauscht werden sollen und sich das Tippen der Nachrichten als Flaschenhals entpuppt. Aber auch in Situationen, die emotionales Fingerspitzengefühl erfordern, ist es wichtig die Stimme des Gegenüber hören zu können. In diesen Fällen kann die in Slack integrierte Anruf- bzw. Webmeetingfunktion den nahtlosen Übergang vom Chat in ein Telefonat schaffen. Der Anruf wird an entsprechender Stelle im Chatverlauf vermerkt, so dass man später nachvollziehen kann, dass das Gespräch telefonisch weitergeführt wurde – ein großer Vorteil gegenüber der sonst üblichen Kombination aus Mails und Telefonaten. Überhaupt wurden bei uns interne Telefonate vollständig von Slack-Anrufen abgelöst, was nicht nur Kosten spart sondern auch die Status- und Benachrichtigungseinstellungen der Mitarbeiter respektiert.
Status setzen
Das Setzen eines Status, der als Emoji hinter dem eigenen Namen angezeigt wird, ist ein unterschätzes Feature, das gerade für ein verteiltes Team eine wichtige Funktion erfüllt: die passive Kommunikation, die sonst über einen kurzen Blick ins Büro erledigt wird. Ist meine Kollegin gerade in einem Termin? Macht mein Kollege gerade Pause? Wichtiger Faktor beim Statussetzen: es muss schnell und unkompliziert gehen, sonst wird die Funktion nicht genutzt. Emojis als kleine selbsterklärende Bildchen sind hierbei das geeignete Medium.
Mit der Zeit haben sich bei uns einfache Regeln etabliert:
- :telephone_receiver: Wird von Slack automatisch während eines Telefonats gesetzt
- :calendar: Wird von Outlook automatisch während eines Termins gesetzt
- :x: Nicht stören. Volle Konzentration gefordert
- :coffee: / :beer: Kaffeepause, Feierabendbier, etc. Gerade nicht am Platz
- :hamburger: / :spaghetti: / :burrito: Mittagspause, in diversen Variationen :smile:
Integrationen nutzen
Integrationen (sog. Apps oder Bots), liefern automatisch wichtige Informationen aus anderen Systemen. Sie können aus einem Verzeichnis von Apps installiert oder auch selbst programmiert werden und reden entweder von selbst (Push-Prinzip) oder nachdem sie etwas “gefragt” werden (Pull-Prinzip). Aus den hunderten von möglichen Integrationen haben sich einige als für uns unverzichtbar erwiesen:
- GitHub: Neue Issues, Pull Requests und Freigaben werden in die entsprechenden Themenchannels gepostet und ersetzen so Mail-Benachrichtigungen oder eine manuelle Prüfung. Auf Benachrichtigungen kann direkt reagiert werden (“Kümmerst du dich um die Freigabe?”), so dass jeder auf dem aktuellen Stand ist.
- Diagnose: Ein Benutzer verwendet die Feedback-Funktion in unserer Software oder stolpert über einen Fehler in der Anwendung? Unser Diagnosesystem benachrichtig sofort den entsprechenden Themenchannel mit den notwendigen Informationen, so dass umgehend auf das Ereignis reagiert werden kann. Durch diese proaktive Fehlerbehandlung kann schnell das weitere Vorgehen diskutiert werden und in Echtzeit beobachtet werden.
- Flachwitz-O-Mat: Unsere interne Eigenentwicklung versorgt uns per Befehl (/flachwitz) mit einer sorgsam gepflegten Auswahl an Flachwitzen und erleichert so manch stressigen Arbeitstag.
- Outlook: Die Synchronisation des Slack-Status mit dem Outlook-Kalender lässt Kollegen auf einen Blick erkennen, ob jemand gerade in einem Termin ist und deshalb nicht reagieren kann. Und das vollautomatisch. Bei Bedarf kann über einen Chatbefehl auch die eigene Tagesagenda angezeigt oder Besprechungen zu- und abgesagt werden.
- Giphy: Gerade wenn die Kaffeeküche oder der Flur für die zwischenmenschliche Kommunikation fehlen, ist es umso wichtiger, den Spaß nicht aus den Augen zu verlieren. Deshalb versorgt uns Giphy in manchen Situationen mit den richtigen GIFs.
Fazit
Mit den richtigen Tools und Prozessen gelingt es auch verteilten Teams in der Kommunikation Reibungverluste zu vermeiden und produktiv zusammenzuarbeiten. Dabei kommt es weniger auf die konkrete Software an, sondern mehr auf eine einheitliche und konsequente Nutzung von bestimmten Funktionen. Die clevere Verknüpfung der verschiedenen Systeme untereinander, kann Datensilos vermeiden und Synergieeffekte aussnutzen.
Wie meistert ihr die Herausforderung von Homeoffice und Remote-Meetings? Interessieren euch weitere Einblicke in unsere Arbeitsabläufe? Schreibt uns eine Mail: hallo@plusmeta.de :bulb: